Pallottinerpater Richard Henkes

Brückenbauer zwischen Deutschen und Tschechen

Am 15. September wird Pater Richard Henkes in Limburg seliggesprochen. Der Pallottinerpater aus Ruppach-Goldhausen war nicht nur ein mutiger Kritiker, der klar Stellung gegen die Nazis bezog, sondern auch Friedensstifter und Vermittler zwischen Tschechen und Deutschen. Eine Partnerschaft zwischen Ruppach-Goldhausen und dem tschechischen Strahovice erinnert daran.

Wenn sich Gerold Sprenger, ehemaliger Ortsbürgermeister von Ruppach-Goldhausen, an seinen ersten Besuch im tschechischen Strahovice im Jahr 2005 zurückerinnert, muss er auch etwas schmunzeln. 14 Kirchen habe die Gruppe damals in Polen und Tschechien an einem Tag besucht. „Das war wirklich anstrengend“, sagt Sprenger und lacht. Erstmals waren Bürger aus der kleinen Westerwälder Gemeinde dorthin gereist, wo der Pallottinerpater Richard Henkes von 1941 bis 1943 als Pfarrer wirkte. Die Kontakte, die zur Eröffnung des diözesanen Seligsprechungsverfahrens 2003 geknüpft wurden, sollten vertieft werden. Die anfängliche Skepsis sei groß gewesen, die Überraschung dann aber umso größer. „Die meisten Mitfahrer waren sehr überrascht, dass es landschaftlich fast so aussieht wie im Westerwald“, erinnert sich Sprenger. Besonders eingeprägt habe sich bei ihm aber die große Gastfreundschaft und Herzlichkeit der Tschechen: „Wir wurden von der ersten Minute an mit einer Herzlichkeit empfangen, als ob man sich schon 20 Jahre kennen würde. Das war wirklich genial“, erzählt der 56-Jährige, der sich wie kaum ein anderer in Ruppach-Goldhausen um die Partnerschaft der beiden Gemeinden bemüht hat. „Alle Berührungsängste waren sofort verschwunden.“

Blick auf das tschechische Strahovice im Hultschiner Ländchen

Begegnung steht im Mittelpunkt

Diese Herzlichkeit ist auch fünfzehn Jahre und viele gegenseitige Besuche später noch lebendig. Zur Seligsprechung am 15. September im Limburger Dom kommen mehr als 100 Tschechen nach Ruppach-Goldhausen. Tschechische Medien reisen gar mit einem eigenen Übertragungswagen nach Deutschland, um von der Seligsprechung und der Partnerschaft zu berichten. In Ruppach-Goldhausen werden dann Deutsche und Tschechen vier Tage lang gemeinsam feiern. Geplant ist etwa ein Begegnungsfest, die gemeinsame Feier im Limburger Dom, Ausflüge in die Region und vieles mehr.

„Die Begegnung untereinander steht im Mittelpunkt“, erklärt Sprenger. Deshalb würden die tschechischen Gäste wie seit 2003 bei Privatpersonen untergebracht. Daneben gebe es aber auch kulturelle Angebote wie eine Draisinenfahrt im Aartal oder dem Besuch einer Tongrube sowie dem Keramikmuseum in Höhr-Grenzhausen. Auch die Erinnerung an Henkes soll bei dem Besuch nicht zu kurz kommen, etwa wenn eine Bronzetafel an der Kirche enthüllt wird.

Für Sprenger ist die Partnerschaft ein großes Anliegen: Die Seligsprechung in Limburg ist für ihn eine echte Chance, die Partnerschaft der beiden Orte zu beleben und den Funken der Begeisterung überspringen zu lassen. Das Vorbereitungsteam sei gezielt an Schulen und Kindergärten im Westerwald und im Hultschiner Ländchen herangetreten und habe angeregt, dass sich auch jüngere Generationen mit Henkes auseinandersetzen. Im Dernbacher Raiffeisen-Campus, einem privaten Gymnasium, haben sich Jugendliche im Rahmen verschiedener Projektarbeiten mit der Lebensgeschichte von Richard Henkes, seiner klaren Haltung gegenüber den Nazis, aber auch seinem Einsatz für die Verständigung von Deutschen und Tschechen beschäftigt.

Machtverhältnisse sorgen für Spannungen

„Henkes hat versucht, Brücken zwischen Tschechen und Deutschen zu bauen“, erklärt Pallottinerpater Manfred Probst, Postulator im Seligsprechungsverfahren. Seit 1931 lebte Henkes in der Region: zunächst im oberschlesischen Katscher, ab 1937 im niederschlesischen Frankenstein (heute Ząbkowice Śląskie, Polen), direkt an der heutigen polnisch-tschechischen Grenze. Dort hielt er für Frauen und Mädchen Exerzitien und machte sich als Prediger einen Namen. 1935 übernahm Pater Henkes in Branitz (heute Branice) regelmäßige Exerzitienkurse für Frauen und Mädchen. Als die Wehrmacht 1938 infolge des Münchner Abkommens das Sudetenland besetzte, bezeichnete Henkes die Politik Nazi-Deutschlands gegenüber der 1918 gegründeten Tschechoslowakei als „Verbrechen“ und „Unrecht“. „Das ist wirklich erstaunlich und mutig. Hätte man die Briefe abgefangen, wäre er schon damals ins KZ gekommen“, macht Probst deutlich. Die Besetzung und neuen Machtverhältnisse sorgten für Spannungen zwischen deutschen und tschechischen Familien. Auch im damaligen Strandorf (heute Strahovice) im Hultschiner Ländchen, wo Henkes seit 1941 als Pfarrer wirkte.

Einsatz für Versöhnung

„Er fühlte sich in Strandorf wohl. Er hat sich wirklich in die Gegend verliebt“, sagt Probst. In einem Brief schrieb der Pallottiner, dass er bleiben wolle, weil er dort viel für den Glauben bewirken könnte. Henkes war nur gute zwei Jahre in dem kleinen Dorf Pfarrer. Dann wurde er verhaftet und nach Dachau transportiert. „Aber er hat sich in der kurzen Zeit dort bei den Menschen ein hohes Ansehen erworben“, sagt Probst.

Henkes predigte Versöhnung und setzte sich aktiv für ein gutes Miteinander in der kleinen Gemeinde ein. Als ein Junge aus einer tschechischen Familie bei einer höheren Schule abgelehnt wird, ergreift Henkes für ihn und seine Familie Partei. Als im Religionsunterricht ein Junge, der nicht gut genug deutsch sprechen konnte, von den anderen Mitschülern gehänselt und ausgelacht wird, geht Henkes dazwischen und lässt die Mädchen und Jungen nachsitzen und Strafarbeiten schreiben. Auch bei den Besuchen in den Familien oder beim Briefeschreiben an Gemeindemitglieder macht Henkes keinen Unterschied zwischen Deutschen und Tschechen.

Gäste aus Strahovice besuchen 2007 das Grab von Richard Henkes in Limburg.

Im KZ schmiedet Henkes Pläne für die Zeit nach dem Krieg

Henkes hat als Pfarrer großen Wert darauf gelegt, alle gleich zu behandeln, gerecht und wahrhaftig zu sein, erzählt Probst. Das betraf für ihn auch die Sprache. „Er wollte nach dem Krieg bleiben. Deshalb fing er beim Frisör in Strandorf an Tschechisch zu lernen.“ Selbst im Konzentrationslager wich Henkes nicht von seinem Vorhaben ab: Henkes knüpfte in Dachau Kontakte zu tschechischen Priestern. Mit dem späteren Prager Kardinal und Erzbischof Josef Beran verband ihn eine Freundschaft. Bei dem Geistlichen, der später auch von Kommunisten ins Gefängnis gesteckt wurde, lernt er weiter Tschechisch. Beide schmiedeten Pläne für die Zeit nach dem Krieg und die Aussöhnung von Deutschen und Tschechen.

Stolperstein in Ruppach-Goldhausen

Heute erinnern im tschechischen Strahovice und im deutschen Ruppach-Goldhausen nicht nur Stolpersteine an den Einsatz des Pallottinerpaters. Mehr noch hätte sich Henkes über die Partnerschaft und das gewachsene Miteinander von Tschechen und Deutschen gefreut: Aus Fremden sind längst Freunde geworden, sagt Sprenger. Heute, in einer Zeit, in der nationale Rhetorik wieder lauter wird und immer wieder von Abschottung die Rede ist, wäre das ganz im Sinne von Richard Henkes.

Kinder aus einer Kindertagesstätte in Ruppach-Goldhausen besuchten das Geburtshaus von Richard Henkes und säuberten den Stolperstein.

Herausgegeben vom Bistum Limburg | Fotos: G. Sprenger

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